Aequitas
Über göttliche und irdische Gerechtigkeit

Auszug aus einer Schrift des Plinius Deseglieri

 

Und so ist es wohl wahr: Legitim ist das Regieren eines Herrschers, wo dieses Regieren der göttergewollten Ordnung dient. Und so ist es der Wille der Viere, daß die Obrigkeiten eingerichtet, um rechtschaffen zu herrschen und zu entscheiden zum Wohle aller.

Doch wohl wahr ist auch : Ein Herrscher, eine Obrigkeit regiert illegitim, wenn dessen Handeln wider der göttergewollten Ordnung, wider Erfüllung der Götter Gebote ist.
Fehlt die Gerechtigkeit, die den Göttern wohlgefällig,, was anderes ist dann die Herrschaft, die weltliche Obrigkeit als eine große Räuberbande? Denn auch Räuberbanden, was sind sie anderes als kleine Obrigkeiten? Auch sie bestehen aus einer Gruppe von Menschen, die dem Befehl eines Häuptlings untersteht, sich durch einen Pakt zusammenschließt und die Beute nach festgesetzter Ordnung verteilt. Wächst dieses Übel durch verkommene Menschen derart ins Große, dass dabei Ortschaften besetzt, Städte errichtet, Länder erobert, Völker unterjocht werden, nimmt dies ohne weiteres den Namen eines Reiches an!

Aber – so werden nun einige fragen – ist es nicht die Obrigkeit selbst, das Lehen und die durch das Lehen eingesetzte Gerichtsbarkeit, die "iustitia", die das Fundament eines Reiches ist? Ist es nicht die „iustitia“, die es verbietet, daß eine Herrschaft nicht einer Räuberbande gleichgestellt werden kann?

Zunächst ist diese Frage mit einem „Ja“ zu beantworten. Als Begründung wird man anführen, daß unser erhabener König Hilgorad I., rex Falandria, gegeben hat die rechtliche Selbstverwaltung in die Hände der Ritterschaft in Anerkennung und im Bewußtsein der Verlässlichkeit seiner loyalen Lehensherren und tugendhafter Ritterehre. Die Ritter sind betraut vom König, für Recht und Ordnung zu sorgen. Und seine durchlauchte Majestät, König Hilgorad I. hat in seiner Weisheit und in Anbetracht der besonderen Bedeutung der Insel Siebenwind, deren Lehensrechte er an die Ritter der Sieben Winde übertragen hat, ein Gesetz zur Errichtung eines Königlichen Gerichtes auf Siebenwind erlassen, welches der Ritterschaft zur Seite stehen soll, auf daß „iustitia“ das Fundament der Obrigkeit Siebenwinds sei.

Doch ist damit die Möglichkeit ausgeschlossen für eine Regentschaft der Lehensherren, welche wissentlich oder unwissentlich wider der göttlichen Ordnung und den göttlichen Geboten ist? Und wenn diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, wer mag dann erkennen, urteilen , daß die Herrschaft eine wider den göttlichen Geboten handelnde Herrschaft ist?

Ad primum ist nicht auszuschließen diese Möglichkeit.

Ad secumdum ist es aber der Rat der Diener der Viere, welche ihr Leben hingeben um die Tiefe der göttlichen Moral zu erforschen, und durch welche gewährleistet ist, daß eine Herrschaft den Göttern gefällig ist.

Doch was ist, wenn eine Herrschaft , von dem alle Gerechtigkeit ausgehen soll, die vier heiligen Kirchen dieser „iustitia“ selbst unterwirft? Sollte es nicht sein, dass eher umgekehrt sich die „iustitia“ zu unterwerfen hat der heiligen Vier Kirchen da selbst, um überhaupt erhindern zu können eine wider den göttlichen Geboten handelnde Herrschaft?

Und so ist zu fordern, dass die „iusitia“ der heiligen vier Kirchen neben, wenn nicht über die „iustiia“ der weltlichen Macht zu stehen hat.
Wenn nämlich ein König in seinem Reich anordnen kann, was bis dahin weder er noch sonst jemand angeordnet hatte, und sein Gebot nicht gegen die Gesellschaftsordnung des Reiches verstößt, muß es befolgt werden. Es ist nämlich ein allgemein übliches Übereinkommen der irdischen Ordnung, daß man seinem König gehorchen muß
Verstößt es aber dagegen, braucht ihm nicht gehorcht zu werden..Um wieviel mehr muß man dann aber den Geboten der Viere, den Herrschern über alle Geschöpfe, ohne zu zweifeln Gehorsam leisten? Wie nämlich unter den Machthabern in der irdischen Ordnung die übergeordnete Gewalt der niedrigeren im Anspruch auf Gehorsam vorangeht, so ist das Gebot der Viere allen anderen überlegen.